Tai Chi Wegweiser

Den Körper dehnen und die Gelenkräume öffnen

Den eigenen Körper leicht wahrnehmen. Alle Bewegungen mühelos ausführen können. Wohlgefühl, Leichtigkeit, Lockerheit und Entspannung erreicht man durch sanfte Dehnung.

Auf der ersten Stufe, wenn man Tai Chi oder Qi Gong erlernt, ist es wichtig Bewegungen locker, leicht, ohne Kraft und mit dem geringstmöglichen Muskeltonus auszuführen. Auf einer nächsten Stufe lernt man den Körper sanft zu dehnen und zu strecken um langfristig die Fähigkeit zu erlangen bewusst die Gelenkräume öffnen und schließen zu können.
Warum ist das wichtig für den Energiefluß?
Wie kann ich davon im Alltag profitieren?

 

 

Tai Chi und Qi Gong Bewegungen werden langsam, weich und fließend und ohne Unterbrechung ausgeführt, damit der der innere Energie-Fluß in Gang kommt. Zudem gibt es Übungen die den Körper mal sanft mal zielgerichtet dehnen und strecken um diesen Prozeß zu verstärken.

Warum ist das für die Gesundheit so wichtig?
Banal und lapidar ausgedrückt, weil es gut tut und den Energiefluß födert. Aber warum ist das so?
Wer einen Hund oder eine Katze nach einem Mittagsschlaf beim aufwachen beobachtet, sieht dass sie sich erst einmal strecken. Der Hund oder die Katze folgen ihrem inneren Gefühl und wissen, dass es ihnen gut tut. Wir können uns auf die Natur verlassen und wenn wir gut in unserern Körper hinein spüren, können wir das auch sehr gut nachvollziehen.
Bänder und Sehnen und auch Muskelgewebe haben die Eigenschaft, wenn sie nicht gebraucht werden, sich etwas zusammenzuziehen. Das geschieht schon in kleinem Maße in der Nacht, im Schlaf. Das ist nicht schlimm, da sie durch das Elastin sehr elastisch bleiben und nach schon wenig Bewegung wieder die gleich Flexibilität aufweisen wie vorher. Elastin wird aus essentiellen Aminosäuren aufgebaut, die über die Nahrung aufgenommen werden. Solange wir unserem Körper Dehnung und Beweglichkeit "abfordern" bleibt er auch flexibel. Führen wir bestimmte Bewegungen nicht mehr aus, gehen sie uns verloren. Die klassische Kniebeuge ist zwar keine Qi Gong Bewegung, aber ein gutes Beispiel für das hier gesagte. Wer lange keine Kniebeuge mehr gemacht hat, verliert die Fähigkeit Kniebeugen, oder eine Qi Gong Übung welche die gleiche Dehnung benötigt, auszuführen. Der Verlust geht nicht in erster Linie darauf zurück, weil die Kraft in den Beinen fehlt, sondern weil die Dehnung nicht mehr vorhanden ist in die Hocke zu gehen.

Nun könnte man sagen warum soll ich in die Hocke gehen können? Die Toilette ist auf bequemer Höhe eingebaut und die Couch und das Bett sind ebenfalls auf bequemer Höhe. Richtig. Aber wenn die Verkürzungen weiter zunehmen, kann man auch irgendwann nicht mehr vernünftig aus dem Bett oder von der Couch aufstehen, trotz bequemer Höhe. So extrem muss es gar nicht erst kommen. Ein viel wichtigerer Grund zu dehnen ist, durch verkürzte Bänder und Sehnen können Bewegungseinschränkungen und Gelenkprobleme entstehen. Der Energiefluss wird gehemmt und wir fühlen nicht mehr wohl in unserer Haut.

Die gute Nachricht ist: Die Beweglichkeit kann wieder hergestellt werden.

Und mit der Beweglichkeit auch wieder mehr Wohlgefühl und Leichtigkeit. Aus eigener Erfahrung nach einer Knieverletzung, kann ich das mit Sicherheit behaupten. Es ist ein langsamer und Disziplin erfordernder Prozeß, der aber zum Erfolg führt, wenn er von dem Willen und dem Wunsch seine Beweglichkeit wiederzuerlangen angetrieben wird.

Je weicher und flexibler wir sind, umso länger bleiben wir jung.

 

Warum fördert ein gut gedehnter Körper den Energiefluß?
In einem gut gedehntem Körper fühlt man sich leichter. Alle Bewegungen können mit mehr Leichtigkeit ausgeführt werden. In einem gut gedehnten Körper gibt es weniger Blockaden.
Man denke nur mal an den kurzen Blick nach links hinten, kurz vor dem Überholen oder einfädeln auf der Autobahn. Wenn man dabei seinen Nacken spürt, oder der Kopf sich nicht leicht drehen läßt,  ist der Halsbereich nicht locker, eher verspannt und definitiv nicht ausreichend gedehnt.
Die Energie sucht sich verschiedene Wege im Körper. Das können Nervenbahnen sein oder Blutgefäße. Meist werden Strukturen genutzt die bereits da sind, weil explizite Energiebahnen liegen in unserem Organismus in physischer Form nicht vor. Bei Bewegungen, wird nach meiner Erfahrung, die meiste Energie über den Weg der Sehnen übertragen. Wenn die Sehnen und auch die Muskulatur durch Bewegung und Dehnung (und guter Ernährung) elastisch gehalten wurden, kann sich das Chi leichter darin bewegen.

Ein weiterer Hinweis:
Je jünger ein Mensch ist, desto flexibler ist er meist auch. Ein Baby kann ohne Anstrengung seinen Fuß in den Mund nehmen, weil das Gewebe der Körperstruktur weich und flexibel ist. Mit zunehmendem Alter nimmt unsere Flexibilität ab. Das kann man auch im Übertragenen und auch philosophisch sehen. Bleiben wir aber auf der Körperebene. Je älter der Mensch wird, umso wichtiger wird es ein Mindestmaß an Beweglichkeit zu erhalten, nicht nur um den Energiefluß zu fördern, sondern auch um Bewegungseinschränkungen und/oder Gelenkprobleme zu vermeiden.

Ihr habt die Pflicht, die Gesundheit eures Körpers zu erhalten,
denn sonst verliert der Geist seine Spannkraft und Klarheit.

(Buddha)

 

Wie gehe ich vor?
Wie fange ich an?
Der erste Schritt ist, mäßig aber sehr regelmäßig, am besten täglich ein paar Minuten zu üben. Einfache Übungen des "Wohlfühl-Qi Gong" sind meist die besten Übungen für den Anfang. Und habe etwas Geduld, der Dehnaspekt kann dann nach und nach immer mehr integriert werden. Wenn sich der Körper an Qi Gong Übungen gewöhnt hat, sollte man unbedingt mit Softening Exercises weitermachen. Auch die Softening Exercises kann man leicht beginnen und langsam steigern. Viele dieser Übungen beinhalten  einfache Einsteigerlevel und können über drei bis sieben Level langsam gesteigert werden.

Das Ziel der Softening Exercises ist die Schaffung eines natürlichen, entspannten, elastischen Körpers (auch genannt die totale Freiheit des Körpers) in Verbindung mit ausgeglichenem Fluß von Blut, Energie, balanciertem Nervensystem und geistiger und emotionaler Entwicklung. Das Studium dieser Übungen beinhaltet häufige Wiederholung und Revision zur Entfaltung der verschiedenen Ebenen.

Man sollte in jedem Fall langsam beginnen. Dehnt man den Körper nach längerer Zeit der Untätigkeit, so können Dehnübungen als unangehm empfunden werden. Später werden sie übrigens fast richtig lustvoll erlebt. Je nach Übung, Körpergrunddehnung und je nach Dehnungsintensität.

Ein wichtiger geistiger Aspekt ist:
Wir stellen und NICHT vor wir üben um den Körper leicht, entspannt, geschmeidig und elastisch zu machen, sondern wir stellen uns vor, dass wir bereits leicht, entspannt, geschmeidig und elastisch sind.

Das ist ein kleiner aber enorm wichtiger Unterschied. Wenn ich mir vorstelle, ich soll es erst werden, so ist das in der Zukunft angesiedelt und muss von meinem Körper jetzt noch nicht umgesetzt werden. Stelle ich mir aber vor ich bin es bereits und übe in dieser Gesinnung, so gebe ich meinem Körper JETZT den richtigen Befehl leicht, entspannt, geschmeidig und elastisch zu sein. Das verbessert die Ergebnisse und die Freude direkt beim Üben. 
Was man noch wissen sollte:
Es kann beim Üben passieren, dass die in dem verspannten und dem verkürzten Gewebe feststeckenden Emotionen beim Üben frei werden. Das ist eine große Chance. Emotionen haben oft dazu beitragen, dass wir verspannen. Diese Gefühle möchten bejahend gefühlt und angenommen werden, dann lassen sie uns in Ruhe und wir können wieder mehr entspannen.

Große Siege werden durch den Mut errungen,
größere durch die Liebe,
die größten durch Geduld.

(Peter Rosegger)

 

Was kann noch helfen?

- Zum Dehnen unbedingt immer Zeit lassen
  
unter Hektik und Zeitdruck ausgeführte Dehnübungen enden oft in Verletzungen,
    deshalb auch immer gut aufwärmen (weiss man eigentlich ;-)
- Stress vermeiden
   (unter Stress verspannt sich der Körper noch mehr)
- Gezielte, qualititativ hochwertige Ernährung
   (besonders Bindegewebe unterstützende Nahrungsmittel)
   um die Elastitzität und Festigkeit der Körperstruktur zu fördern und zu erhalten
- Gefühle die beim Üben hochkommen zulassen
   bei vielen Menschen, wenn Sie zur Ruhe kommen melden sich Emotionen, wieder zu Wort
   die lange unterdrückt wurden. Das kann erstmal verwirren.
   Der heilsame Weg ist, diese Emotionen bejahend zuzulassen.

 

 

Übungstipps:

 1. Softening Exercises (weichmachende Übungen)
Sie sind die besten Übungen die ich kenne für die Entwicklung eines elastischen, gut gedehnten Körpers.
In den Softening Exercises stecken auch alle wichtigen Bewegungs-Prizipien des Tai Chi Chuan.

2. Klassische Qi Gong Übungen
Beispiele:
- Das Mühlrad dreht sich rückwärts
- Das Nashorn schaut zum Mond
- Mit beiden Händen den Himmel halten um die drei Erwärmer zu regulieren (Brokatübung)
- Mit beiden Händen die Füße fassen um Niere und Blase zu stärken (Brokatübung)
Die meisten Brokatübungen beinhalten einen Dehnaspekt, das ist einer der Gründe warum sie so wertvoll sind.

3. Tai Chi Form
Auf einer fortgeschrittenen Ebene, wird das Prinzip von Ausdehen und Zusammenziehen während der Form geübt.